Was Energieberater den Kirchen für den Winter raten

Nicht mehr auf die lange Bank schieben

Der Winter könnte auch für die Kirchen ungemütlich werden. Nach zwei Corona-Jahren droht wegen der Energiekrise eine Advents- und Weihnachtszeit mit kalten Gotteshäusern. Was rät Energieberaterin Sabine Jellinghaus den Kirchen?

Gottesdienstbesucher mit warmen Jacken / © Julia Steinbrecht (KNA)
Gottesdienstbesucher mit warmen Jacken / © Julia Steinbrecht ( KNA )

KNA: Was genau macht das Netzwerk "Energie und Kirche"?

Sabine Jellinghaus (Netzwerk "Energie und Kirche"): Die Plattform ist auf Anregung von sechs Bistümern und Landeskirchen entstanden, heute sind 34 Bistümer und Landeskirchen im Netzwerk vertreten. Wir beraten als Ingenieure und Energieexpertinnen seit rund 10 Jahren die Kirchen zu Energieeffizienz und Klimaschutz, erstellen Broschüren und Handreichungen oder organisieren Fachtagungen. Mittlerweile gehören über 300 Hauptamtliche aus kirchlichen Bauverwaltungen und Klimaschutzstellen zu unserem Netzwerk. Die Grundidee ist: Man muss das Rad nicht überall neu erfinden; man kann gute Ideen und Erkenntnisse weitergeben und Projekte gemeinsam entwickeln. Auch bei dieser Kooperation unterstützen wir fachlich.

KNA: Die Schöpfung zu bewahren und Energie einzusparen sind schon lange Thema - zumindest in kirchlichen Verlautbarungen. Werden diese Ziele im kirchlichen Alltag auch eingelöst?

Jellinghaus: Da sind die Geschwindigkeiten sicher sehr unterschiedlich von Gemeinde zu Gemeinde oder von Bistum zu Landeskirche. Es gibt sehr viele engagierte Menschen in allen kirchlichen Ebenen. Aus meiner Sicht haben sich die Anstrengungen aber - wie in der übrigen Gesellschaft - beschleunigt, seit Fridays for future so starken Druck auf die Politik ausübt. Auch die Regierungsbeteiligung der Grünen ist ein Wendepunkt. Jetzt zeigen der Ukraine-Krieg und die drohende Energieknappheit, dass man das Thema nicht mehr auf die lange Bank schieben kann und dass man beschlossene ambitionierte Ziele auch umsetzen muss. Der konkret absehbare Kostendruck und mögliche Versorgungsengpässe helfen deutlich nach.

KNA: Sind Sie gerade besonders gefragt?

Jellinghaus: Die Nachfrage aus Gemeinden und Bistümern und Landeskirchen ist sehr hoch. Wir haben bereits vor längerer Zeit etwa einen Leitfaden zum Beheizen von Kirchen aufgelegt. Jetzt arbeiten wir gerade an einem Hintergrundpapier, das unseren Mitgliedern Wege aufzeigt, wie sie konkret auf den Ukraine-Krieg und die Energiesituation reagieren können. Umsetzen müssen das aber die Verantwortlichen vor Ort.

KNA: Nun sind Gotteshäuser mit Blick auf Energiesparen besonders komplizierte Bauwerke...

Jellinghaus: Sie müssen zunächst mal zwischen Sakralgebäuden und anderen kirchlichen Gebäuden unterscheiden. Kitas, Pfarrhäuser und Gemeindehäuser unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen weltlichen Gebäuden. Da geht es um Wärmedämmung, Heizungstypen, technische Verbesserungen und das Nutzerverhalten - vielleicht manchmal auch um verkürzte Öffnungszeiten oder langfristig um den Verkauf von Gebäuden. Die Gotteshäuser selber sind ein ganz anderes Thema - schon wegen der Größe, dem Alter - aber auch, weil hier Grundvollzüge christlichen Lebens stattfinden und die Sensibilität der Christinnen und Christen besonders groß ist.

KNA: Wie nähern Sie sich als Energieexperten denn dem Thema Heizen von Kirchen?

Jellinghaus: Sie müssen zwei Standards unterscheiden: Da ist die Basistemperatur und auf der anderen Seite die Nutzungstemperatur. In vielen Kirchen wird die Temperatur zu den Sonntagsgottesdiensten einmal pro Woche auf 12 bis 15 Grad hochgefahren - vielfach ein enormer Aufwand. Denn Kirchen haben ein sehr träges Temperaturverhalten: Messungen haben gezeigt, dass massives, altes Mauerwerk durchaus zehn Stunden Zeit braucht, um nur ein Grad wärmer zu werden. Demgegenüber kommen andere Kirchen seit Jahrhunderten ohne Beheizung aus. Erst in den vergangenen 70 Jahren wurden als Standard Heizungen eingebaut.

KNA: Und die Basistemperatur?

Jellinghaus: Die bewegt sich meist zwischen 8 und 12 Grad und sollte in erster Linie danach ausgerichtet sein, wie Orgeln, Kunstwerke und Bausubstanz am sichersten erhalten und vor Schimmel oder Austrocknung bewahrt werden können. Entscheidend ist dabei nicht allein die Temperatur, sondern vor allem die Luftfeuchtigkeit. Typisches Beispiel ist der aus Leder bestehende Blasebalg der Orgel, der austrocknet, wenn die Luftfeuchtigkeit zu niedrig ist. Im Extremfall reißt er und die Orgel muss - in der Regel für einen satten fünfstelligen Euro-Betrag - saniert werden. Die Orgel wurde dann, salopp gesagt, verheizt.

KNA: Wie sehen denn Ihre Empfehlungen für den kommenden Winter aus?

Jellinghaus: Wie gesagt, wir arbeiten noch daran, deshalb kann ich noch nicht so viel vorweg nehmen. Grundsätzlich muss man aber unterscheiden zwischen der langfristigen Ertüchtigung der Gebäude mit Dämmung oder Heiztechnik, die oft hohe Investitionen, langfristige Planung und viele Absprachen wegen Lieferzeiten und Handwerkerkapazitäten erfordert. Und kurzfristig möglichen Maßnahmen.

KNA: Können Sie da ein paar Möglichkeiten nennen?

Jellinghaus: Sie können etwa die Temperaturen niedrig halten und die Gottesdienstbesucher bitten, sich mit ihrer Kleidung darauf einzurichten oder Decken zur Verfügung stellen. Eine Möglichkeit ist auch das Modell Winterkirche: Während der kalten Jahreszeit finden Gottesdienste in anderen Gemeinderäumen statt. Auch Konzerte kann man in andere Räume verlegen.

KNA: Was immer auch zu Diskussionen und Streit führt...

Jellinghaus: Solche Beschlüsse sind - genau wie mögliche Schließungen von Kirchen - gravierende Eingriffe in das Gemeindeleben. Deshalb ist es nötig, dass die Verantwortlichen besonders transparent vorgehen und Gemeindeglieder aktiv in den Entscheidungsprozess einbeziehen.

Manchmal entstehen dabei ja auch positive Erfahrungen, etwa wenn die Gottesdienstgemeinde enger zusammenrückt und sich an den Gottesdienst im Gemeindehaus noch ein gemeinsames Frühstück anschließt.

Wünschenswert ist es, wenn diese aktuellen Maßnahmen nicht nur als Notfallplan wahrgenommen werden, sondern als Anstoß darüber nachzudenken, wie die Gebäude für ein Gemeindeleben der Zukunft aussehen sollen.

Das Interview führte Christoph Arens.

Quelle:
KNA