Vor 1.000 Jahren ist Heinrich II. gestorben

Mit Kalkül und Frömmigkeit

Frömmigkeit ist nicht gleich fehlende Härte. Wer das glaubt, kannte wohl Heinrich II. schlecht. Statt Mönch oder Bischof wurde er König und Kaiser. Er zeigte der Kirche, was Reform ist. Er gründete außerdem das Bistum Bamberg.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kaiser Heinrich II. (rechts) und seine Gemahlin Kunigunde an der Adamspforte des Bamberger Domes / © Chris Redan (shutterstock)
Kaiser Heinrich II. (rechts) und seine Gemahlin Kunigunde an der Adamspforte des Bamberger Domes / © Chris Redan ( shutterstock )

Plötzlich war der Kaiser tot. Gerade 21 Jahre jung, kinderlos, den Kopf voller Ideale von einem christlichen Imperium, das von Rom aus zu beherrschen wäre, starb Otto III. in einer winzigen Burg, 50 Kilometer nördlich der Stadt seiner Sehnsucht.

"Kaiser-Schock"

"Kaiser-Schock", so würde die "Bild"-Zeitung wohl heute titeln. Als die Nachricht im Spätwinter 1002 in Deutschland ankommt, rücken allerlei Thronanwärter schon mal ihre Stühle zurecht. Doch einer schaltet am schnellsten.

Statue Heinrich II. im Paderborner Dom / © Barbara Beyer (KNA)
Statue Heinrich II. im Paderborner Dom / © Barbara Beyer ( KNA )

Freilich hat Herzog Heinrich aus der bayerischen Nebenlinie der (eigentlich sächsischen) Ottonen auch das geografische Glück auf seiner Seite: Mit der Leiche des Kaisers zieht Reichskanzler Heribert von Köln von Italien zurück durch sein Territorium. 

In Polling am Ammersee erzwingt der Bayern-Herzog - mit Kerkerhaft - die Herausgabe der Reichsinsignien, inklusive der Heiligen Lanze, und lässt fortan keinen Zweifel mehr an seinen Herrschaftsansprüchen. 1002 lässt er sich als Heinrich II. mit den erpressten Insignien zum König krönen.

Dabei war ihm ursprünglich wohl eher eine Kirchenkarriere zugedacht gewesen. Kaiser Otto II., ständig in Streit mit Heinrichs Vater, dem Bayern-Herzog Heinrich dem Zänker, schickt den Jungen zur Ausbildung an die renommierte Hildesheimer Domschule - wohl um ihm früh den Zahn der Politik zu ziehen. Doch obwohl lebenslang persönlich äußerst fromm, lässt es Heinrich zu keiner Zeit an politischer Entschlossenheit fehlen.

Würzburger Bischof düpiert

Gegen durchaus mächtige Konkurrenten gelingt ihm bald, in zähem Ringen und mit kleinteiligen Zugeständnissen, die Anerkennung seiner Königswürde - auch wenn er dabei am Ende den Bischof von Würzburg um die versprochene Aufwertung zum Erzbischof prellt. 

Hochfliegende Italien-Träume wie sein Vorgänger Otto III. hat der Realist Heinrich nicht. Seine Ambition ist die Festigung der Königsherrschaft nördlich der Alpen. Seine drei vergleichsweise kleinen Italien-Züge dienen nur drei Zielen: leidlichem Frieden südlich der Alpen, Einvernehmen mit dem Papst - und der letztlichen Erlangung der Kaiserwürde 1014.

Lokale Konflikte ausfechten

Doch zunächst gilt es für den neuen König, lokale Konflikte in Deutschland auszufechten, Fehden beizulegen und die Treue der Lehnsmänner zu erzwingen. Auch dabei ist Heinrich nicht zimperlich. Als sein Hauptgegner über die Jahrzehnte tut sich der Herzog von Polen und Böhmen, Boleslaw Chrobry, hervor. 

Ihm hatte Kaiser Otto III. beim sogenannten Akt von Gnesen im Jahr 1000 im Zuge einer "Neuen Ostpolitik" möglicherweise gar die polnische Königswürde verliehen. Die Rivalität von Heinrich und Boleslaw soll beide Leben lang anhalten.

Um Ehrgeiz und Streitlust der deutschen Fürsten im Zaum zu halten, bedient sich Heinrich II. eines wirksamen Instruments, das seiner Frömmigkeit entgegenkommt: der damals aufkommenden Kirchenreform. Als Gegengewicht zu den Reichsfürsten baut er entschlossen die weltliche Macht der Bischöfe aus und setzt durchweg fähige Getreue von auswärts auf diese Posten.

Vetternwirtschaft aufbrechen

Dass er damit die - eigentlich wahlberechtigten - Domkapitel gegen sich aufbringt, ist ihm egal. Die Zeiten verlangen Strenge. Heinrich II. will eine fähige Verwaltung - und lokale adlige Vetternwirtschaft und Schlendrian aufbrechen. Zudem erwartet er von den neuen Bischöfen, klamme Bistümer mit ihrem Privatvermögen aufzupäppeln und fromme Stiftungen für ihr Seelenheil vorzunehmen.

Wie das arme Bistum Paderborn reich wurde

Das katholische Erzbistum Paderborn gilt heute als finanzstärkste Diözese Deutschlands. Das war nicht immer so. Als 1009 der Paderborner Bischofsstuhl neu zu besetzen war, fühlte sich der Kandidat ob der dort herrschenden Armut geradezu düpiert. Doch diese Unwucht zwischen wirtschaftlicher Potenz des Bischofs und Bedürftigkeit des Bistums gehörte zum Kalkül König Heinrichs II.

Erzbistum Paderborn / © Bernd Thissen (dpa)
Erzbistum Paderborn / © Bernd Thissen ( dpa )

Bei wohlhabenden Bistümern und Klöstern dagegen zögert Heinrich II. nicht, Teile des Vermögens einzuziehen und mehr Kontemplation statt reichem Müßiggang anzumahnen. Ein Affront zweifellos. Die Mönche des Klosters Corvey greifen 1014 sogar zu den Waffen gegen den vermeintlichen Tyrannen - allerdings mit recht kläglichem Ausgang.

"Kirchenreform" ist ein Begriff, der durch die Jahrhunderte immer neu klingt: ob im 15./16. Jahrhundert als "Reform an Haupt und Gliedern"; ob im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) als "aggiornamento" (Verheutigung) oder heute als "Synodaler Prozess". 

Damals, vor 1.000 Jahren, richtete sich die Reform der Kirche gegen Missstände wie Machtmissbrauch, Ämterkauf (Simonie) oder Vetternwirtschaft (Nepotismus); und gegen die Priesterehe, für die sich heutige Reformprozesse stark machen.

Vor rund 1.000 Jahren waren in der westlichen, "römischen" Kirche viele Priester wie selbstverständlich verheiratet. Die Forderung nach einem verpflichtenden Zölibat (Ehelosigkeit) wird immer wieder eingeschärft, sogar höchstrangig.

Heiratsverbot für Priester

1022 ordnen Papst Benedikt VIII. und Kaiser Heinrich II. gemeinsam bei der Synode von Pavia ein generelles Heiratsverbot für Priester an. Papst, Kaiser und der mächtige Abt von Cluny: So viel Einigkeit bei den Zielen einer Kirchenreform dürfte nur selten in der Geschichte geherrscht haben.

Die Ehe von Heinrich und seiner luxemburgischen Frau Kunigunde bleibt zu beider und des Reiches Kummer kinderlos; so wird die Kirche zu ihrem Kind und soll auch ihr Vermögen erben. 1007 gründen die beiden, freilich auch zur Grenzsicherung, das Bistum Bamberg und lassen bis 1012 den ersten Bamberger Dom erbauen. Bedeutende Schenkungen und Klosterstiftungen folgen und zu Ostern 1020 gar ein Besuch des Papstes.

Kundige Kunigunde

Als Heinrich II. am 13. Juli 1024 im Alter von rund 40 Jahren stirbt, ist das Geschlecht der Ottonen im Mannesstamm erloschen. Neue Thronanwärter bringen sich in Stellung. Kunigunde, ins Herrschen durchaus eingeführt, verwaltet noch kurz die Amtsgeschäfte des Reiches. 

Grab Kaiser Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde im Bamberger Dom / © paparazzza (shutterstock)
Grab Kaiser Heinrich II. und seiner Gemahlin Kunigunde im Bamberger Dom / © paparazzza ( shutterstock )

Dann zieht sie sich ins selbst gestiftete Kloster Kaufungen bei Kassel zurück; nicht als Äbtissin, sondern als Pförtnerin. Gestorben 1039, folgt sie im Jahr 1200 ihrem Mann in den Stand der Heiligkeit, den Papst Eugen III. 1146 verkündet hatte. Heinrich und Kunigunde sind in "ihrem" Dom beigesetzt.

Der 1.000. Todestag Heinrichs II. wird in Bamberg dieser Tage mit großen Feierlichkeiten begangen. Vor wenigen Wochen kehrte sogar eine Heinrichs-Reliquie in Stadt und Dom zurück: ein Oberschenkelknochen, der 1840 an das Collegium Germanicum, das deutsche Priesterseminar am Vatikan, gegeben worden war. Nun bekommt der Kaiser ihn zurück.

Heinrich II.

geboren am 6. Mai 973 zu Hildesheim, erhielt seine Erziehung durch Bischof Wolfgang von Regensburg und Abt Ramwold von St.-Emmeram. 995 folgte er seinem Vater Heinrich dem Zänker als Herzog von Bayern. Nach dem Tod Ottos III. 1003 erlangte er auch die deutsche Königswürde. Durch kluge Politik und energisches Handeln sicherte er dem Reich im Inneren und an den Grenzen den Frieden. 1014 wurde er mit seiner Gemahlin Kunigunde in Rom zum Kaiser gekrönt. Die Bistümer besetzte er mit seinen Anhängern und schuf sich so in der Reichskirche eine sichere Grundlage seiner königlichen Macht.

Statue Heinrich II. im Paderborner Dom / © Barbara Beyer (KNA)
Statue Heinrich II. im Paderborner Dom / © Barbara Beyer ( KNA )
Quelle:
KNA