Thierse betont Bedeutung migrantischen Holocaust-Gedenkens

"Kommen nicht in ein leeres Land"

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ist für klare Konsequenzen bei Hamas-Sympathisanten in Deutschland. Er betont, dass Migranten nicht in ein kulturelles Vakuum einwandern. Das Holocaust-Gedenken gehört zur Integration.

Der Politiker Wolfgang Thierse am 28. Mai 2022 in Stuttgart / © Julia Steinbrecht (KNA)
Der Politiker Wolfgang Thierse am 28. Mai 2022 in Stuttgart / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Menschen kommen nicht in ein geschichtlich und kulturell leeres Land, sondern in eines, das durch Geschichte und Kultur stark geprägt ist", sagte er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Berlin.

Hamas und Hisbollah

Die Hamas und die Hisbollah sind radikalislamische Organisationen im Nahen Osten, zu deren verbindenden Hauptzielen die Bekämpfung und Vernichtung des Staates Israel gehört.

Die Palästinensergruppe Hamas wurde nach Beginn der Ersten Intifada 1987 gegründet. Der Name steht als Abkürzung für "Organisation des islamischen Widerstands", bedeutet auf Arabisch aber auch "Eifer" oder "Kampfgeist". Sie ist aus dem palästinensischen Zweig der fundamentalistischen Muslimbruderschaft hervorgegangen und entstand in Opposition zur kompromissbereiteren Fatah bzw. PLO von Jassir Arafat.

Die Hamas mobilisiert (dpa)
Die Hamas mobilisiert / ( dpa )

Dazu gehöre auch die Erinnerung an den Holocaust und die daraus resultierende moralisch-politische Verpflichtung in der Gegenwart. Die Politik müsse dafür den Rahmen setzen, so Thierse weiter.

Thierse ruft gesellschaftliche Institutionen zum Handeln auf

Gefordert seien zudem Schulen, Kultureinrichtungen, aber auch die Medien. Thierse hatte in seiner Zeit als Bundestagspräsident das Holocaust-Mahnmal in Berlin eröffnet.

Der SPD-Politiker wird am 22. Oktober 80 Jahre alt. Es brauche in der Migrationspolitik klare Regelungen und auch Integrationsanstrengungen der Migranten.

Mangelnde Integration hilft laut Thierse Rechtsextremen

Wenn das nicht passiere, gelinge das Zusammenleben nicht und Ängste und Ablehnung bei der einheimischen Bevölkerung würden größer. Das stärke nicht zuletzt rechtsextreme Kräfte.

Darüber hinaus äußerte sich Thierse zur Rolle der Kirche in der Politik: "Wenn die öffentliche Überzeugungsfähigkeit der Kirchen abnimmt, nimmt natürlich auch ihre Resonanz in den politischen Parteien ab":

Die Ampelregierung sei da ein Abbild der Pluralisierung der Gesellschaft. Der Katholik war selbst viele Jahre im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) tätig. Er wird am 22. Oktober 80 Jahre alt.

Thierse bedauert mangelndes Hören auf Stimmen der Bischöfe

Zugleich betonte er, er bedauere es, dass die Stimmen der Bischöfe zu gesellschaftlichen Problemen viel weniger wahrgenommen würden. Die Kirchen könnten auch für aktuelle Debatten wichtige Beiträge liefern.

"Und wenn sie nicht direkt aus der Politik angefragt werden, können sie sich ja trotzdem äußern", so Thierse. Er sehe es aber gelassen, dass inzwischen weniger als die Hälfte der Deutschen einer der beiden Kirchen angehören, fügte er hinzu.

Säkularisierungstheorie in Deutschland "zumindest ergänzungsbedürftig"

Man könne das auch anders sehen, nämlich dass knapp die Hälfte der Deutschen katholisch oder evangelisch sei.

Zudem gebe es noch die Menschen, die in einer anderen Religion beheimatet seien. Die Behauptung, dass Deutschland ein säkulares Land geworden sei, sei zumindest ergänzungsbedürftig.

Drei Viertel der Befragten finden Kirchensteuer unzeitgemäß

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland finden die Kirchensteuer nicht mehr zeitgemäß. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. 74 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie das Einziehen der Kirchensteuer nicht mehr für zeitgemäß halten. Nur 13 Prozent hielten es für zeitgemäß. Weitere 13 Prozent machten keine Angaben oder hatten keine Meinung dazu.

Geld: Scheine und Münzen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Geld: Scheine und Münzen / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA