So läuft multireligiöse Arbeit im sozialen Schmelztiegel

Ein Priester als "Lieblingsimam"

In Bonn-Tannenbusch leben Menschen verschiedener Herkunft und Religion. Sie kommen aus dem Irak, der Türkei oder aus Marokko. Pfarrer Markus Höyng berichtet von seiner Arbeit in einem Viertel zwischen Kirche und Moschee.

Autor/in:
Raphael Schlimbach
Markus Höyng im Gespräch mit Jugendlichen / © Harald Oppitz (KNA)
Markus Höyng im Gespräch mit Jugendlichen / © Harald Oppitz ( KNA )

Wie feiert man einen christlichen Gottesdienst an einer Schule, an der vier von fünf Schülern Muslime sind? Und wie veranstaltet man eine katholische Fronleichnamsprozession in einem migrantisch geprägten Stadtteil, in dem die Menschen gar nicht wissen, was das ist?

Für Markus Höyng sind das Alltagsfragen. Er ist Pfarrverweser der Gemeinde Sankt Thomas Morus in Bonn und unter anderem für Bonn-Tannenbusch zuständig - einen Ortsteil, in dem über die Hälfte der Bewohner Migranten sind.

Höyng erklärt, wie er als Priester mit der Vielfalt der Kulturen und Religionen umgeht: "Zunächst einmal leben wir miteinander. Und den Menschen, die hier leben und ihren Religionen begegnen wir mit Respekt." Die Bereiche Alt- und Neu-Tannenbusch seien eben Hotspots für die Kulturen vieler Zuwanderer. Darauf müsse man sich einlassen.

Gemeinsamkeiten im Gottesdienst erklären

Besonders deutlich wird das im Fall der katholischen Hauptschule Sankt Hedwig. Dort ist Höyng seit etwa zehn Jahren für die Schulgottesdienste zuständig. "Die Schule legt Wert auf ihr katholisches Profil. Aber vier Fünftel der Schüler dort sind Muslime." Trotzdem unterschreiben die Eltern bei der Aufnahme, dass Gottesdienste zum Schulprogramm gehören.

Um auch den muslimischen Kindern religiös gerecht werden zu können, ließ sich der Priester etwas einfallen. "Als ich vor rund zehn Jahren dort anfing, gab es große Gottesdienste mit 230 unkonzentrierten Schülern. Da dachte ich, das kann es nicht sein." Um mehr Ruhe zu garantieren, kommen heute nur noch einzelne Klassenstufen in einer kleineren Kirche zusammen. "Und wir feiern korrelative Gottesdienste.

Markus Höyng, Pfarrer der Kirchengemeinde Sankt Thomas Morus im Bonner Stadtteil Tannenbusch / © Harald Oppitz (KNA)
Markus Höyng, Pfarrer der Kirchengemeinde Sankt Thomas Morus im Bonner Stadtteil Tannenbusch / © Harald Oppitz ( KNA )

Ich versuche, die Gemeinsamkeiten von Islam und Christentum zu erklären." Dabei erläutere er etwa Wandgemälde in der Kirche. Die Verkündigung der Geburt Jesu mit dem Erzengel Gabriel und der Jungfrau Maria gebe es zum Beispiel auch so ähnlich im Koran - nur hießen sie dort Dschibril und Maryam. "Manche Muslime wissen das, andere kommen da echt ins Staunen", sagt Höyng. Am Ende werde auch gebetet, Christen und Muslime jeweils auf ihre Weise.

Der katholische "Lieblingsimam"

Diese Annäherungen im Gottesdienst sind für Höyng ein wichtiger Anfang. "Ich sage immer, wir sind drei Schwestern: Die älteste heißt Judentum, die mittlere heißt Christentum und die jüngste heißt Islam.

Allein wenn die Schüler diese Botschaft behalten, war es ein Erfolg." Sein größtes Lob bekam der katholische Geistliche von einem Jungen aus der sechsten Klasse, der nach einem der Gottesdienste zu ihm kam und sagte: "Du bist eigentlich mein Lieblingsimam."

Auch vor der Abiturfeier am Tannenbusch-Gymnasium gibt es ein multireligiöses Programm. Jedes Jahr halten Höyng, ein evangelischer Pastor und ein Imam einen gemeinsamen kleinen Gottesdienst ab - auch wenn das viel Planung gebraucht habe. Leider sei Vergleichbares nicht überall möglich. "Es gab leider auch Schulen, bei denen wurden ähnliche Anfragen von uns abgelehnt. Da hat man gemerkt, dass die Verantwortlichen beinah Angst vor Muslimen haben oder Angst haben, etwas falsch zu machen."

Moschee-Besuch mit Firmlingen

Mit den Firmlingen seiner eigenen Gemeinde besuche Höyng schon seit Jahren die nahe gelegene Al-Muhajirin Moschee. "Eigentlich müsste man sowas verpflichtend machen. Viele Jugendliche haben viel Kontakt zu Muslimen und wissen dabei die einfachsten Dinge nicht", so der Geistliche. In der Moschee werden die jungen Christen von jungen Muslimen herumgeführt. Der Austausch sei herzlich.

Leider sei es oft schwierig, Muslime zu einem Gegenbesuch zu bewegen: "Die sind schon in ihrer Blase. Und es ist schwer, sie da herauszulocken, auch wenn sie sich riesig freuen, wenn sie akzeptiert oder angenommen werden." Mit den Besuchen wolle er trotzdem nicht aufhören, denn irgendwie müsse man Vorurteile abbauen.

Ein Weg gegen Vorurteile und Bildung von Parallelstrukturen im Stadtteil sei auch die Information. Seit einem Jahr führt die Fronleichnamsprozession der Pfarrei mitten durch Tannenbusch. "Zuvor gab es ein ungutes Gefühl, in aller Öffentlichkeit als Katholiken erkennbar da durch zu gehen. Sowas ist nicht selbstverständlich."

Eine Mitarbeiterin habe dann empfohlen, die Menschen entlang der Prozession mit einem Flyer zu informieren - sonst wüsste niemand, was da gerade passiert. "Ich habe dann ein Infoblatt erstellt in einfacher Sprache und übersetzt auf Arabisch und Russisch. Bei der Prozession gehen die Messdiener dann herum, teilen die Flyer aus und stecken sie in die Briefkästen."

Mit Respekt zusammenleben

Höyng ist überzeugt, mit Respekt lasse sich auch in sozialen Brennpunkten zusammenleben. "Auch Muslime wollen am Ende als religiöse Menschen respektiert werden. Natürlich gibt es dort Fundamentalisten, aber die gibt es bei uns Christen genauso", meint er. Man müsse im Alltag Zeichen setzen.

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel hat er in Tannenbusch ein interreligiöses Gebet veranstaltet - mit fünf christlichen Konfessionen, einer Vertreterin der Jüdischen Gemeinde und einem Vorsteher der muslimischen Moscheegemeinde. "Da war der Angriff ganz frisch, die Welt hat sich gerade noch sortiert. Es war einfach bewegend."

Quelle:
KNA