Erfurter Kirchenmeile zieht trotz Regen viele Besucher an

Wo schirmbewaffnete Besucher auf Militärseelsorger treffen

Starke Regenschauer verleiden manchen den Besuch der bunten Kirchenmeile beim Katholikentag in Erfurt. Viele Begegnungen finden trotzdem statt. Die Stände von Organisationen bieten mehr als eine trockene Zuflucht.

Autor/in:
Hannah Schmitz
Teilnehmer stehen an Service-Punkten bei der Eröffnung des 103. Katholikentags am 29. Mai 2024 in Erfurt. / © Harald Oppitz (KNA)
Teilnehmer stehen an Service-Punkten bei der Eröffnung des 103. Katholikentags am 29. Mai 2024 in Erfurt. / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Katholische Militärseelsorge hat ihren Stand auf der Kirchenmeile am Dom gerade erst geöffnet, da müssen sich ein Seelsorger und ein Soldat schon den kritischen Fragen von Katja (23) und Felix (20) stellen. Die Geschwister aus Darmstadt besuchen mit ihren Eltern den Katholikentag in Erfurt und wollen sich an dem Stand mit ihren moralischen Grenzen auseinandersetzen. 

"Für mich ist das Militär erst mal abstoßend. Aber ich versuche hier nachzuvollziehen, wie das Militär mit dem Christsein zusammenpasst", sagt Katja.

Ein Helfer trägt ein grünes Halstuch mit der Aufschrift "Ich helfe" bei der Eröffnung des 103. Katholikentags am 29. Mai 2024 in Erfurt. / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Helfer trägt ein grünes Halstuch mit der Aufschrift "Ich helfe" bei der Eröffnung des 103. Katholikentags am 29. Mai 2024 in Erfurt. / © Harald Oppitz ( KNA )

Mehr als 200 Organisationen stellen sich in Erfurts Innenstadt den Besuchern vor - von Bistümern über Reformbewegungen und Hilfswerken bis zu Abtreibungsgegnern. Sie wollen ins Gespräch kommen und hoffen auf regen Austausch; kritische Positionen sind da mit eingeschlossen.

Allerdings sind die Bedingungen wettertechnisch erschwert: Immer wieder regnet es kräftige Schauer. Wer ohne Schirm und Regenjacke unterwegs ist, hat das Nachsehen. Doch die meisten Besucher sind gut gerüstet oder suchen Schutz in den weißen Zeltständen auf der Kirchenmeile.

Maria 2.0 rechnet mit Gegenwind

"Meine These ist: Petrus ist nicht mehr katholisch", sagt Winfried Wingert von der Initiative Maria 2.0 im Bistum Hildesheim mit einem Augenzwinkern. Wingert ist vor zwei Jahren aus der Kirche ausgetreten und will sich in Erfurt mit Mitstreitern für ihr Anliegen einsetzen: die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche.

"Wir haben trotz des Wetters schon erstaunlich viele Gespräche geführt", berichtet Gitta Matthes. Die 59-Jährige engagiert sich ebenfalls bei der Protestbewegung Maria 2.0. Bislang habe es noch keinen Gegenwind gegeben, aber sie rechnet fest mit Besuchern, die der Initiative kritisch gegenüberstehen. So sei es auch schon auf vergangenen Katholikentagen gewesen.

Mitglieder der Initiative Maria 1.0 demonstrieren beim Auftakt zur fünften Synodalversammlung am 9. März 2023 in Frankfurt. Im Hintergrund stehen Frauen der Initiative Maria 2.0. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Mitglieder der Initiative Maria 1.0 demonstrieren beim Auftakt zur fünften Synodalversammlung am 9. März 2023 in Frankfurt. Im Hintergrund stehen Frauen der Initiative Maria 2.0. / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Verein Kaleb, der nach eigenen Angaben das Leben schützen will und gegen Abtreibungen ist, gibt vor allem dem Wetter und dem Standort die Schuld, dass bisher nur wenige Besucher vorbeikamen. 

Der kleine Pavillon des in Ostdeutschland in den 1990er Jahren gegründeten Vereins ist im Erfurter Brühler Garten der letzte in seiner Reihe. Viel Material liegt hier aus, unter anderem geht es um die verschiedenen Stadien der Schwangerschaft. Die Vereinsmitglieder hoffen, dass am Wochenende mehr Menschen vorbeikommen.

Zwischen Pazifismus und Militärseelsorge

Auf dem nahe gelegenen Theaterplatz lauschen Zuhörer unter Regenschirmen einer Diskussion am Stand der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Der Bundesvorsitzende Gerold König erläutert, dass bei diesem Katholikentag alles etwas kleiner sei, auch der eigene Stand. "Das hat aber Vorteile. Die Leute kommen und suchen das Gespräch."

Manche seien froh, dass es eine Organisation in der Kirche gebe, die sich für friedliche Lösungen einsetze; andere wiederum hielten die aktuellen Konflikte wie den Krieg in der Ukraine nur mit Waffengewalt für lösbar. Für König geht es darum, in den Austausch zu kommen. Pax Christi sei gegen Waffenlieferungen, aber für das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine.

Erstmals nehmen auf dem Katholikentag auch nichtkirchliche Organisationen an der Kirchenmeile teil. Auf dem Platz vor dem imposanten Erfurter Dom findet sich etwa das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung. 

Das Thema sei sehr konfliktbeladen, erklärt eine Vertreterin der Behörde. Die Suche nach einem Endlager für Atommüll sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dazu wolle man auch auf dem großen Christenfest in Erfurt mit Menschen ins Gespräch kommen.

Gefaltete Hände eines Soldatens bei einem Gottesdienst in der Little Church im Rahmen der Militärseelsorge am 26. Mai 2023 an der NATO-Ostflanke in Rukla, Litauen / © Markus Nowak (KNA)
Gefaltete Hände eines Soldatens bei einem Gottesdienst in der Little Church im Rahmen der Militärseelsorge am 26. Mai 2023 an der NATO-Ostflanke in Rukla, Litauen / © Markus Nowak ( KNA )

Am Stand der Militärseelsorge scheinen Katja und ihr Bruder derweil nach dem Gespräch versöhnter zu sein. "Ich konnte gut nachvollziehen, was gesagt wurde", sagt Felix. Katja erklärt mit Blick auf Bundeswehr-Einsätze, dass sie es auf jeden Fall besser fände, wenn Menschen mit Wertvorstellungen Entscheidungen darüber treffen. 

Aus Sicht der Seelsorger ist es die Pflicht von Christen, sich für Menschenrechte und Frieden einzusetzen - auch mit den Mitteln des Militärs. Irgendwer müsse es ja machen, sagt Katja. "Ich bin froh, dass es solche Menschen gibt. Ich würde es nämlich nicht machen wollen."

 

Quelle:
KNA