Anwalt berichtet von Lernprozess bei Missbrauchsgutachten

Nicht in Juristendeutsch verfassen

Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl hat sich einen Namen mit Missbrauchsgutachten für Diözesen in Deutschland gemacht. Dabei haben die Juristen auch selbst einen Lernprozess durchgemacht, sagt der Anwalt Ulrich Wastl.

Ulrich Wastl / © Sven Hoppe (KNA)
Ulrich Wastl / © Sven Hoppe ( KNA )

Gutachten über sexuellen Missbrauch brauchen nach Ansicht des Münchner Anwalts Ulrich Wastl eine andere sprachliche Form. "Wir können über so eine Sache nicht mehr im bloßen Juristendeutsch reden. Das ist eine Verhöhnung der Betroffenen." 

Zu dieser Überzeugung seien er und seine Kollegen von der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl in München im Laufe der Zeit gekommen, sagte Wastl am Mittwochabend in Rosenheim. Dafür seien die Juristen auch angegriffen worden.

Lernprozess und Perspektivwechsel

Wastls Kanzlei hat mehrere Gutachten zum Missbrauch in der katholischen Kirche, unter anderem in der Erzdiözese München-Freising, im Erzbistum Köln und im Bistum Aachen, erstellt.

Eingang zum Büro der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl  / © Dieter Mayr (KNA)
Eingang zum Büro der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl / © Dieter Mayr ( KNA )

Der Lernprozess habe für sie als Juristen darin bestanden, einen Perspektivwechsel zu machen, erklärte Wastl: "Uns sind auf einmal die ganzen anderen Gutachten, die wir so gelesen haben, auf den Senkel gegangen." Denn die Betroffenen seien zum Objekt einer wissenschaftlichen Betrachtung geworden, samt aneinandergereihter Fallzahlen. Daher habe seine Kanzlei sich entschieden, künftig Bewertungen vorzunehmen.

Immer noch Gräben in Gemeinden

Erschüttert zeigte sich Wastl vom Umgang mancher Pfarrgemeinden mit dem Thema. Selbst wenn Missbrauch durch einen Seelsorger nachgewiesen sei, führe dies dort zu tiefen Gräben. Sogar Jahrzehnte später würden die Leute aufeinander schimpfen. "Das ist für mich ein totales Versagen der Seelsorge", sagte der Anwalt. Die Diözesanleitung müsse dafür sorgen, dass Gespräche zwischen den Menschen in Gang kämen. Dabei könne es ratsam sein, auch externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Jurist ging auch auf jüngst bekanntgewordene Anerkennungsleistungen im sechsstelligen Bereich für Missbrauchsbetroffene ein. Dabei handele es sich um Schmerzensgeld für immaterielle Schäden. In 19 von 20 Fällen zeigten die Akten zerstörte Biografien. Das fange damit an, dass wegen der Geschehnisse viele Betroffene keine adäquate Ausbildung hätten machen können.

Wastl äußerte sich bei einer Podiumsdiskussion, die vom Betroffenenbeirat vom Erzbistum München und Freising veranstaltet worden war.

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,61 Millionen Katholiken (Stand: Mai 2021) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach Münchenverlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

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Quelle:
KNA