100 Jahre nach Snyder-Act ringen US-Indigene um Anerkennung

Staatsbürgerschaft kam im Ersten Weltkrieg

Lang kämpften die Ureinwohner Nordamerikas um ihre Rechte. Eine Etappe in diesem Kampf bildet ein Gesetz, das vor 100 Jahren in Kraft trat. Um echte Anerkennung ringen viele Indigene allerdings auch heute noch.

Autor/in:
Von Joachim Heinz
Häuptlinge indigener Völker / © Eric Gay (dpa)
Häuptlinge indigener Völker / © Eric Gay ( dpa )

Kristi Noem hat ein Problem. Medienberichten zufolge brachte die Gouverneurin von South Dakota unlängst die in dem US-Bundesstaat lebenden Indigenen gegen sich auf. Die Republikanerin sie wird als mögliche Vizepräsidentin unter Donald Trump gehandelt - hatte behauptet, einige Anführer würden mit Drogenkartellen zusammenarbeiten. Mehrere Gruppen verboten Noem daraufhin den Zutritt zu indigenem Land. Derzeit ist die Politikerin in einem Fünftel des von ihr regierten Bundesstaates nicht mehr willkommen.

Die Episode mag für das Niveau der Wahlkämpfe in den USA stehen. Sie illustriert aber auch, wie sehr die Ureinwohner in Nordamerika immer noch um ihre gesellschaftliche Anerkennung kämpfen müssen - auch wenn sie dem Gesetz nach seit 100 Jahren die volle Staatsbürgerschaft haben. Am 2. Juni 1924 setzte der damalige Präsident Calvin Coolidge seine Unterschrift unter den "Snyder Act", benannt nach Homer Peter Snyder (1863-1937). Als Mitglied im Repräsentantenhaus wurde Snyder zu einem der treibenden Kräfte hinter der Regelung. Ironie der Geschichte: Wie Noem war auch Snyder Mitglied der Republikaner.

Ein Strippenzieher als Wegbereiter

Im Repräsentantenhaus betätigte sich Snyder vor allem in zwei Ausschüssen: Dem "Committee on Indian Affairs" und dem "Committee on World War Veterans' Legislation" ("Indianerausschuss" und "Gesetzgebungsausschuss für Weltkriegsveteranen"). Dazu passt, dass der Gesetzesvorstoß laut Historikerin Heike Bungert auch die Dankbarkeit für den Einsatz der rund 12.000 indigenen Soldaten bei den US-Truppen im Ersten Weltkrieg zum Ausdruck bringen sollte.

Indigene Guarani und Menschenrechtsaktivisten nehmen an einem Protest teil / © Andre Penner/AP (dpa)
Indigene Guarani und Menschenrechtsaktivisten nehmen an einem Protest teil / © Andre Penner/AP ( dpa )

Aufgrund "gängiger Stereotype" seien die Indigenen damals eingesetzt worden als Fährtenleser, Kundschafter, Scharfschützen oder Spione, schreibt Bungert in ihrem Buch "Indianer. Geschichte der indigenen Nationen in den USA." "Allgemein ging man davon aus, dass Indianer als 'geborene Krieger' besonders gute Kämpfer seien, was zu einer überproportional hohen Sterberate führte." Trotz dieser Vorgeschichte waren bei weitem nicht alle Indigenen über den Snyder Act begeistert. "Sie befürchteten, dass dies negative Auswirkungen auf die Mitgliedschaft in ihrer indianischen Nation haben könnte."

Mit am heftigsten protestierten die Haudenosaunee, die laut Bungert ihren Status als eigene Nation gefährdet sahen. Die Haudenosaunee hatten im Ersten Weltkrieg eine eigene Kriegserklärung verabschiedet und sich danach vergeblich um eine Einladung zur Versailler Friedenskonferenz bemüht. Die Vorbehalte aufseiten der Indigenen könnten aber auch von den schlechten Erfahrungen herrühren, die sie mit den vermeintlichen Segnungen der US-amerikanischen Gesetzgebung und Sozialpolitik gemacht hatten.

Korruption und Verbrechen

Der Dawes Act von 1887 beispielsweise sollte den Indigenen zu eigenem Land verhelfen, führte de facto aber zu massiven Konflikten, wenn etwa die Lage der Parzellen die Begehrlichkeiten von Spekulanten weckte. Wie sehr solche Konflikte eskalieren konnten, zeigte Martin Scorsese in seinem preisgekrönten Drama "Killers of the Flower Moon" (2023). Dort geht es um eine Verbrechensserie, die in den 1920er-Jahren für Schlagzeilen sorgte. Die meisten Opfer waren Osage, auf deren Territorium in Oklahoma man bedeutende Erdöl-Reserven entdeckt hatte.

Erinnerung an das erlittene Unrecht von indigenen Kindern in Kanada in Ottawa am 1. Juni 2021 / © Dissous limage (shutterstock)
Erinnerung an das erlittene Unrecht von indigenen Kindern in Kanada in Ottawa am 1. Juni 2021 / © Dissous limage ( shutterstock )

Ein düsteres Kapitel sind auch die oft von den Kirchen betriebenen Internate, deren Mission es war, indigene Kinder zu "zivilisieren". Aufgrund der miserablen Ausstattung der Schulen starben viele von ihnen an Krankheiten wie Tuberkulose oder Masern. Als im Nachbarland Kanada vor einigen Jahren an drei ehemaligen Internaten die sterblichen Überreste von rund 1.000 Mädchen und Jungen entdeckt wurden, setzte das eine neue Debatte in Gang, die immer noch nicht abgeschlossen ist.

In Sachen Staatsbürgerschaft erwies sich der Snyder Act lange als stumpfes Schwert. Bis 1957 verweigerten einige US- Bundesstaaten den Indigenen das mit der Staatsbürgerschaft verbundene Wahlrecht. Als Soldaten zum Zweiten Weltkrieg eingezogen wurden sie trotzdem, wie sich der bald 100-Jährige Charles Norman Shay vom Stamm der Penobscot erinnert. "Ob wir nun wählen durften oder nicht - um den Militärdienst kamen wir nicht herum."

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
KNA